Die Neunte

Schiller, Beethoven und die Geschichte eines musikalischen Welterfolgs

Hildebrandt, Dieter

366 Seiten, 9 s/w Illustr., 9 Illustr.

24,90 €
Inkl. 7% Steuern

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Erscheint am: 30.11.2004

Freitag, der 7. Mai 1824. Ein Tag für das globale Gedächtnis, ein Datum aus dem Kalender der Menschheitsgeschichte. Vorgriff auf eine unbekannte Nachwelt. Schöpfungsakt einer Zukunftsmusik ohnegleichen. Das, was man später eine Sternstunde nennen wird. Dabei geht es nicht allzu feierlich zu an diesem frühen Abend im K.K. Hoftheater nächst dem Kärntnerthor, als Herr L. van Beethoven, Ehrenmitglied der königlichen Akademie der Künste und Wissenschaften zu Stockholm und Amsterdam, Ehrenbürger von Wien, seine Große Musikalische Akademie - das ist ein Benefizkonzert zu eigenen Gunsten - gibt. Die Eintrittskarten sind »wie gewöhnlich«, aber Freibillets sind ungültig. Jeder soll bezahlen. Das Theater ist gut besucht. Die 2400 Plätze, »wenn es voll gedrängt ist«, sind schon vorher fast ausverkauft. Ehe Beethovens Neffe Karl nachmittags noch einmal an die Kasse geht, kann er melden: »Übrigens ist es gut gegangen. Die Logen sind weg, ein paar auch überzahlt, mit 25 und 40 f, im 4ten Stock sind alle Plätze weg, die übrigen im Parterre u. 1ten Gallerie hoffe ich wohl noch abzusetzen«. Beethovens Freunde und die meisten seiner adligen Gönner und Verehrer sind gekommen. Nur die kaiserliche Familie fehlt, obwohl Franz I. und seine Gemahlin persönlich vom Komponisten eingeladen worden waren; beide haben Wien kurz vorher verlassen. Ein mißgünstiger Beobachter notiert: »Viele Logen leer - vom Hofe niemand.« Denn auch der Erzherzog Rudolf, sein prominentester Schüler und verläßlichster Förderer, kann nicht dabei sein; seit 1820 sitzt er als Erzbischof im mährischen Olmütz und kommt nur noch selten nach Wien. Aber er hat aus der Ferne an den Vorbereitungen Anteil genommen und sich Sorgen gemacht; man hat Beethoven berichtet, »daß der Erzh. Franz fragte, wie es bey den Proben geht - er habe gehört, es geht nicht recht zusammen. (.) Von den Cabalen war er schon genau unterrichtet, er fragte dann, ob das alles wahr sey u. bedauerte Sie sehr, daß Ihnen dieß hier widerfahren muß.« Von den Kabalen und Mißlichkeiten gleich mehr. Aber sonst ist das kunstsinnige, das ereignisfrohe und vor allem das sensationsbedürftige Wien gekommen, und sei's, um Beethoven nicht zu hören, sondern endlich einmal wieder zu Gesicht zu bekommen. Denn der Anschlagzettel verkündet: »Herr Ludwig van Beethoven wird an der Leitung des Ganzen Antheil nehmen.« Das Ganze, so verheißt es das Plakat, das für diesen Tag noch einmal frisch gedruckt worden ist, besteht aus drei Teilen: »Erstens. Große Ouverture. ZeichenZweytens. Drey große Hymnen, mit Solo? und Chor? Stimmen. übrigDrittens. Große Symphonie, mit im Finale eintretenden Solo? und Chor?Stimmen, auf Schiller's Lied, an die Freude.« Bei der Ouvertüre handelt es sich um »Die Weihe des Hauses«, die zwei Jahre zuvor, zur Eröffnung des Theaters an der Josephstadt, geschrieben worden war, und bei den »Hymnen« um Teile aus der »Missa solemnis« - Kyrie, Credo und Agnus Dei -; warum sie auf dem Programm so neutral annonciert wurden, wird zu erklären sein. Das Hauptwerk aber ist die neue, die neunte Sinfonie Beethovens, von der man schon hat raunen hören, was man nun schwarz auf weiß lesen kann, daß ein Chor samt Solisten die jahrhundertealte Konvention des Symphonischen, der Instrumentalmusik durchbrechen soll. Es ist die erste »Akademie« Beethovens seit 1814; sein erstes öffentliches Auftreten, seit er am Weihnachtstag 1817 seine 8.Sinfonie dirigiert hatte. Und sie ist unter großen Mühen und grotesken Reibereien überhaupt zustande gekommen. Was Nachgeborene als musikalisches Weltereignis würdigen werden, war mit lauter Schwierigkeiten verbunden. Die größte war von Anfang an Beethoven selbst; sie blieb es bis zuletzt. Monate vorher hatte ihn eine der nun beteiligten Sängerinnen, Karoline Unger, im wahrsten Sinne des Wortes bekniet: »Wann geben Sie Ihre Akademie? Wenn man einmahl den Teufel hat, so kann man zufrieden sein. Wenn Sie das Concert geben, so stehe ich für die Völle. (Das heißt: für ein ausverkauftes Haus.

"Freude schöner Götterfunken." Bei keiner anderen Symphonie können so viele Leute mitsingen. Aber was hat es mit Beethovens Neunter wirklich auf sich? Schillers Ode an die Freude hatte Beethoven lange beschäftigt, bevor er sie vertonte. Zuerst reagierte die Hörerschaft erschrocken, dann mit wachsender Begeisterung. Dieter Hildebrandt erzählt die Geschichte einer Symphonie, die ein beispielloser musikalischer Welterfolg wurde, und die Geschichten über die Literaten und die Musiker, die diesen Erfolg möglich machten.

www.friedrich-schiller.de

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Autor Hildebrandt, Dieter
Verlag Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG
ISBN 9783446205857
ISBN/EAN 9783446205857
Lieferzeit Vorbestellbar
Erscheinungsdatum 30.11.2004
Lieferbarkeitsdatum 07.09.2019
Einband Gebunden
Format 3.2 x 20.8 x 13.5
Seitenzahl 366 S., 9 s/w Illustr., 9 Illustr.
Gewicht 516

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Verlag Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG
ISBN 9783446205857
Erscheinungsdatum 30.11.2004
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Freitag, der 7. Mai 1824. Ein Tag für das globale Gedächtnis, ein Datum aus dem Kalender der Menschheitsgeschichte. Vorgriff auf eine unbekannte Nachwelt. Schöpfungsakt einer Zukunftsmusik ohnegleichen. Das, was man später eine Sternstunde nennen wird. Dabei geht es nicht allzu feierlich zu an diesem frühen Abend im K.K. Hoftheater nächst dem Kärntnerthor, als Herr L. van Beethoven, Ehrenmitglied der königlichen Akademie der Künste und Wissenschaften zu Stockholm und Amsterdam, Ehrenbürger von Wien, seine Große Musikalische Akademie - das ist ein Benefizkonzert zu eigenen Gunsten - gibt. Die Eintrittskarten sind »wie gewöhnlich«, aber Freibillets sind ungültig. Jeder soll bezahlen. Das Theater ist gut besucht. Die 2400 Plätze, »wenn es voll gedrängt ist«, sind schon vorher fast ausverkauft. Ehe Beethovens Neffe Karl nachmittags noch einmal an die Kasse geht, kann er melden: »Übrigens ist es gut gegangen. Die Logen sind weg, ein paar auch überzahlt, mit 25 und 40 f, im 4ten Stock sind alle Plätze weg, die übrigen im Parterre u. 1ten Gallerie hoffe ich wohl noch abzusetzen«. Beethovens Freunde und die meisten seiner adligen Gönner und Verehrer sind gekommen. Nur die kaiserliche Familie fehlt, obwohl Franz I. und seine Gemahlin persönlich vom Komponisten eingeladen worden waren; beide haben Wien kurz vorher verlassen. Ein mißgünstiger Beobachter notiert: »Viele Logen leer - vom Hofe niemand.« Denn auch der Erzherzog Rudolf, sein prominentester Schüler und verläßlichster Förderer, kann nicht dabei sein; seit 1820 sitzt er als Erzbischof im mährischen Olmütz und kommt nur noch selten nach Wien. Aber er hat aus der Ferne an den Vorbereitungen Anteil genommen und sich Sorgen gemacht; man hat Beethoven berichtet, »daß der Erzh. Franz fragte, wie es bey den Proben geht - er habe gehört, es geht nicht recht zusammen. (.) Von den Cabalen war er schon genau unterrichtet, er fragte dann, ob das alles wahr sey u. bedauerte Sie sehr, daß Ihnen dieß hier widerfahren muß.« Von den Kabalen und Mißlichkeiten gleich mehr. Aber sonst ist das kunstsinnige, das ereignisfrohe und vor allem das sensationsbedürftige Wien gekommen, und sei's, um Beethoven nicht zu hören, sondern endlich einmal wieder zu Gesicht zu bekommen. Denn der Anschlagzettel verkündet: »Herr Ludwig van Beethoven wird an der Leitung des Ganzen Antheil nehmen.« Das Ganze, so verheißt es das Plakat, das für diesen Tag noch einmal frisch gedruckt worden ist, besteht aus drei Teilen: »Erstens. Große Ouverture. ZeichenZweytens. Drey große Hymnen, mit Solo? und Chor? Stimmen. übrigDrittens. Große Symphonie, mit im Finale eintretenden Solo? und Chor?Stimmen, auf Schiller's Lied, an die Freude.« Bei der Ouvertüre handelt es sich um »Die Weihe des Hauses«, die zwei Jahre zuvor, zur Eröffnung des Theaters an der Josephstadt, geschrieben worden war, und bei den »Hymnen« um Teile aus der »Missa solemnis« - Kyrie, Credo und Agnus Dei -; warum sie auf dem Programm so neutral annonciert wurden, wird zu erklären sein. Das Hauptwerk aber ist die neue, die neunte Sinfonie Beethovens, von der man schon hat raunen hören, was man nun schwarz auf weiß lesen kann, daß ein Chor samt Solisten die jahrhundertealte Konvention des Symphonischen, der Instrumentalmusik durchbrechen soll. Es ist die erste »Akademie« Beethovens seit 1814; sein erstes öffentliches Auftreten, seit er am Weihnachtstag 1817 seine 8.Sinfonie dirigiert hatte. Und sie ist unter großen Mühen und grotesken Reibereien überhaupt zustande gekommen. Was Nachgeborene als musikalisches Weltereignis würdigen werden, war mit lauter Schwierigkeiten verbunden. Die größte war von Anfang an Beethoven selbst; sie blieb es bis zuletzt. Monate vorher hatte ihn eine der nun beteiligten Sängerinnen, Karoline Unger, im wahrsten Sinne des Wortes bekniet: »Wann geben Sie Ihre Akademie? Wenn man einmahl den Teufel hat, so kann man zufrieden sein. Wenn Sie das Concert geben, so stehe ich für die Völle. (Das heißt: für ein ausverkauftes Haus.

"Freude schöner Götterfunken." Bei keiner anderen Symphonie können so viele Leute mitsingen. Aber was hat es mit Beethovens Neunter wirklich auf sich? Schillers Ode an die Freude hatte Beethoven lange beschäftigt, bevor er sie vertonte. Zuerst reagierte die Hörerschaft erschrocken, dann mit wachsender Begeisterung. Dieter Hildebrandt erzählt die Geschichte einer Symphonie, die ein beispielloser musikalischer Welterfolg wurde, und die Geschichten über die Literaten und die Musiker, die diesen Erfolg möglich machten.

www.friedrich-schiller.de

 

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