Das Geheimnis des seidenen Fadens
87 Seiten, schwarz-weiß illustriert
Lieferzeit: 5 Werktage(inkl . Versand)
Das Geheimnis des seidenen Fadens Vor langer, langer Zeit - es mögen wohl mehr als zweitausend Jahre her sein - lebte in Ost-Turkestan, im Herzen Asiens, der König von Khotan. Sein Reich lag im Tarim-Becken, nördlich von Tibet, und von den Türmen seines Palastes aus konnte er im Süden die schneebedeckten Gipfel des Himalajagebirges leuchten sehen. Sein Land war nicht reich. Das Volk kleidete sich in Nesselgewänder und Felle und wohnte in dürftigen Lehmhütten. Das Königsschloss war ein einfacher Bau, und auf den Türmen und Zinnen glänzten keine goldenen Dächer wie auf den Palästen des fernen Reiches der Mitte, von dessen Wohlstand und Pracht manchmal Reisende berichteten. Aber die Königin Ula hatte ihrem Gatten drei kräftige, gesunde Söhne geschenkt, und so lebten alle glücklich und zufrieden. Eines Tages verkündete das Horn des Turmwächters, dass sich Fremde dem Palast näherten, und wenig später zog eine Kamelkarawane in die Stadt ein. Auf dem Rücken der Tiere türmten sich hohe Warenballen. Die begleitenden Kaufleute und deren Diener trugen schöne bunte Gewänder. Im Nu waren die Ankömmlinge von Kindern und Neugierigen umringt, und wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht: 'Chinesische Kaufleute sind da! Sie wollen westwärts ziehen, über Kaschgar und Samarkand, um Seidenstoffe gegen Edelsteine und andere Schätze zu tauschen.' Als der König dies hörte, lud er die Reisenden ein, an seiner Tafel zu speisen, und Ula, die neugierig war, die Waren der Fremden zu sehen und etwas von dem reichen Lande China und den Abenteuern der weiten Reise zu hören, befahl ihren Köchen, einige Schafe zu schlachten und von jungen Schilftrieben ein wohlschmeckendes Gemüse zu bereiten. Nach beendetem Mahl legten die Kaufleute ihre Waren aus, und die Königin konnte sich nicht sattsehen an den herrlichen, weichen Stoffen. Sie warf sich einen Streifen weißer Seide über die Schulter und strich behutsam über die fließenden Falten. 'Sieh nur, wie sie glänzt und gleißt!', sagte sie. Als der König ihr Entzücken bemerkte, ging er seufzend in seine Schatzkammer, holte Türkise, Smaragde und andere wertvolle Edelsteine und bot diese den Chinesen zum Tausch. Wie glücklich war die Königin! Als die Karawane weitergezogen war, ließ sie sich sogleich aus dem leise rauschenden Stoff ein wundervolles, langes, faltiges Gewand anfertigen, und als sie es zum ersten Male trug, standen der König und die drei Söhne bewundernd vor ihr und meinten: 'Wir haben noch nicht gewusst, wie schön du bist!' Gern hätte die Königin viele so herrliche Kleider besessen, ja, sie hätte auch gern ihre Dienerinnen in Seide gekleidet und seidene Vorhänge in ihren Hallen und Räumen gehabt. Aber die Stoffe waren teuer. und des Königs Schatzkammer nicht groß. 'Auf unseren Feldern stehen Nesseln, unsere Schafe geben Wolle', sagte sie eines Tages zu ihrer Kammerfrau, 'warum wächst bei uns kein Seidenfaden? Warum ist unser Volk so arm?' 'Nur die Chinesen wissen, wie die Seide entsteht, und sie hüten ihr Geheimnis', entgegnete die kluge Frau, 'solange nur sie allein Seidenstoffe herzustellen vermögen, können sie von den westlichen Völkern, den Persern, Griechen, Römern und all den anderen, die begierig nach den seidenen Herrlichkeiten sind, jeden Preis fordern, und sie bleiben reich und mächtig. Wir aber leben in Unwissenheit und Not. Wüssten wir um die Entstehung des seidenen Fadens, könnten auch wir Handel treiben, und auch in unserem Lande würden die Menschen sorgloser in Freude und Wohlstand ihre Tage verbringen. Jetzt aber leben sie in elenden Hütten. Sie essen Wurzeln, Kräuter und Schaffleisch, sie kochen die frischen Fische und trinken das Kochwasser zu ihren kärglichen Mahlzeiten als Tee.' Die Königin seufzte: 'Die Geister meinen es nicht gut mit uns. Ungleich verteilen sie ihre Gaben. Jedes Jahr opfern wir ihnen Hammel, und doch erlösen sie uns nicht aus unserer Armut.' 'Die Geister?' Die Kammerfrau lachte spöttisch auf. 'Die Geister helfen nur den Menschen, d
Vier alte Geschichten, vier fantastische Entdeckungen, die in die Welt hinausgetragen wurden. Herta Fischers Erzählungen umspannen Kontinente: von Asien, über Südamerika bis nach Europa. Wir begleiten drei Königssöhne auf der Suche nach dem Geheimnis des seidenen Fadens. Wir bangen mit den Ureinwohnern Perus, die alles dransetzen, ihr Geheimnis um die Fieberrinde vor den Spaniern zu verbergen. Wir fiebern mit dem armen Arbeiter eines gierigen Tulpenzüchters. Schafft er es, wertvolle Tulpenzwiebeln zu ergattern, um den Zwängen des bösen Züchters zu entkommen? Wir staunen über die Gewitztheit eines Beamten, der auf königlichen Befehl die neuartige Kartoffelpflanze einbürgern soll - und das trotz des großen Misstrauens der einfachen Bevölkerung.
in Altenburg geboren. Buchhändlerlehre im elterlichen Geschäft, 1937-1942 Gehilfin bei der Deutschen Reichsbahn, anschließend Übernahme der elterlichen Buchhandlung. Während des Krieges schrieb sie erste Kinder-, Märchen- und Mädchenbücher.
Autor | Fischer, Herta |
---|---|
Verlag | Knabe Verlag Weimar |
ISBN | 9783944575704 |
ISBN/EAN | 9783944575704 |
Lieferzeit | 5 Werktage(inkl . Versand) |
Erscheinungsdatum | 23.09.2020 |
Lieferbarkeitsdatum | 19.10.2020 |
Einband | Kartoniert |
Format | 0.6 x 20 x 14 |
Seitenzahl | 87 S., schwarz-weiß illustriert |
Gewicht | 138 |
Weitere Informationen
Verlag | Knabe Verlag Weimar |
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ISBN | 9783944575704 |
Erscheinungsdatum | 23.09.2020 |
Einband | Kartoniert |
Format | 0.6 x 20 x 14 |
Gewicht | 138 |
Das Geheimnis des seidenen Fadens Vor langer, langer Zeit - es mögen wohl mehr als zweitausend Jahre her sein - lebte in Ost-Turkestan, im Herzen Asiens, der König von Khotan. Sein Reich lag im Tarim-Becken, nördlich von Tibet, und von den Türmen seines Palastes aus konnte er im Süden die schneebedeckten Gipfel des Himalajagebirges leuchten sehen. Sein Land war nicht reich. Das Volk kleidete sich in Nesselgewänder und Felle und wohnte in dürftigen Lehmhütten. Das Königsschloss war ein einfacher Bau, und auf den Türmen und Zinnen glänzten keine goldenen Dächer wie auf den Palästen des fernen Reiches der Mitte, von dessen Wohlstand und Pracht manchmal Reisende berichteten. Aber die Königin Ula hatte ihrem Gatten drei kräftige, gesunde Söhne geschenkt, und so lebten alle glücklich und zufrieden. Eines Tages verkündete das Horn des Turmwächters, dass sich Fremde dem Palast näherten, und wenig später zog eine Kamelkarawane in die Stadt ein. Auf dem Rücken der Tiere türmten sich hohe Warenballen. Die begleitenden Kaufleute und deren Diener trugen schöne bunte Gewänder. Im Nu waren die Ankömmlinge von Kindern und Neugierigen umringt, und wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht: 'Chinesische Kaufleute sind da! Sie wollen westwärts ziehen, über Kaschgar und Samarkand, um Seidenstoffe gegen Edelsteine und andere Schätze zu tauschen.' Als der König dies hörte, lud er die Reisenden ein, an seiner Tafel zu speisen, und Ula, die neugierig war, die Waren der Fremden zu sehen und etwas von dem reichen Lande China und den Abenteuern der weiten Reise zu hören, befahl ihren Köchen, einige Schafe zu schlachten und von jungen Schilftrieben ein wohlschmeckendes Gemüse zu bereiten. Nach beendetem Mahl legten die Kaufleute ihre Waren aus, und die Königin konnte sich nicht sattsehen an den herrlichen, weichen Stoffen. Sie warf sich einen Streifen weißer Seide über die Schulter und strich behutsam über die fließenden Falten. 'Sieh nur, wie sie glänzt und gleißt!', sagte sie. Als der König ihr Entzücken bemerkte, ging er seufzend in seine Schatzkammer, holte Türkise, Smaragde und andere wertvolle Edelsteine und bot diese den Chinesen zum Tausch. Wie glücklich war die Königin! Als die Karawane weitergezogen war, ließ sie sich sogleich aus dem leise rauschenden Stoff ein wundervolles, langes, faltiges Gewand anfertigen, und als sie es zum ersten Male trug, standen der König und die drei Söhne bewundernd vor ihr und meinten: 'Wir haben noch nicht gewusst, wie schön du bist!' Gern hätte die Königin viele so herrliche Kleider besessen, ja, sie hätte auch gern ihre Dienerinnen in Seide gekleidet und seidene Vorhänge in ihren Hallen und Räumen gehabt. Aber die Stoffe waren teuer. und des Königs Schatzkammer nicht groß. 'Auf unseren Feldern stehen Nesseln, unsere Schafe geben Wolle', sagte sie eines Tages zu ihrer Kammerfrau, 'warum wächst bei uns kein Seidenfaden? Warum ist unser Volk so arm?' 'Nur die Chinesen wissen, wie die Seide entsteht, und sie hüten ihr Geheimnis', entgegnete die kluge Frau, 'solange nur sie allein Seidenstoffe herzustellen vermögen, können sie von den westlichen Völkern, den Persern, Griechen, Römern und all den anderen, die begierig nach den seidenen Herrlichkeiten sind, jeden Preis fordern, und sie bleiben reich und mächtig. Wir aber leben in Unwissenheit und Not. Wüssten wir um die Entstehung des seidenen Fadens, könnten auch wir Handel treiben, und auch in unserem Lande würden die Menschen sorgloser in Freude und Wohlstand ihre Tage verbringen. Jetzt aber leben sie in elenden Hütten. Sie essen Wurzeln, Kräuter und Schaffleisch, sie kochen die frischen Fische und trinken das Kochwasser zu ihren kärglichen Mahlzeiten als Tee.' Die Königin seufzte: 'Die Geister meinen es nicht gut mit uns. Ungleich verteilen sie ihre Gaben. Jedes Jahr opfern wir ihnen Hammel, und doch erlösen sie uns nicht aus unserer Armut.' 'Die Geister?' Die Kammerfrau lachte spöttisch auf. 'Die Geister helfen nur den Menschen, d
Vier alte Geschichten, vier fantastische Entdeckungen, die in die Welt hinausgetragen wurden. Herta Fischers Erzählungen umspannen Kontinente: von Asien, über Südamerika bis nach Europa. Wir begleiten drei Königssöhne auf der Suche nach dem Geheimnis des seidenen Fadens. Wir bangen mit den Ureinwohnern Perus, die alles dransetzen, ihr Geheimnis um die Fieberrinde vor den Spaniern zu verbergen. Wir fiebern mit dem armen Arbeiter eines gierigen Tulpenzüchters. Schafft er es, wertvolle Tulpenzwiebeln zu ergattern, um den Zwängen des bösen Züchters zu entkommen? Wir staunen über die Gewitztheit eines Beamten, der auf königlichen Befehl die neuartige Kartoffelpflanze einbürgern soll - und das trotz des großen Misstrauens der einfachen Bevölkerung.
in Altenburg geboren. Buchhändlerlehre im elterlichen Geschäft, 1937-1942 Gehilfin bei der Deutschen Reichsbahn, anschließend Übernahme der elterlichen Buchhandlung. Während des Krieges schrieb sie erste Kinder-, Märchen- und Mädchenbücher.
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