Die Buchwanderer

Roman

Röder, Britta

296 Seiten

14,00 €
Inkl. 7% Steuern

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2 Zwei Häuser in Verona, würdevoll, Wohin als Szene unser Spiel Euch bannt, Erwecken neuen Streit aus alten Groll, Und Bürgerblut befleckt die Bürgerhand. Seine Augen flogen über die bekannten Zeilen. In seinem Kopf verwandelten sie sich in den Klang fremder Stimmen, die desto deutlicher zu ihm sprachen, je tiefer er den Sinn des Gelesenen erfasste. Immer dichter wurde die Atmosphäre, die die Worte um ihn herum erschufen. Immer konkreter wuchs das Bild einer neuen Umgebung heran. Ein Luftzug streifte ihn. Hatte er in seiner Wohnung ein Fenster offengelassen? Plötzlich fühlte er sich beobachtet. Er spürte es ganz deutlich und hob überrascht den Kopf. Die Stimmen waren verklungen und er stand auf einem hell gepflasterten Platz inmitten einer fremden Stadt. Wach und zufrieden lag die sorglose Betriebsamkeit eines ruhigen Vormittags auf der Piazza und den mehrstöckigen Gebäuden, die sie umsäumten. Die weit-geöffneten Fenster der oberen Etagen atmeten noch die klare Kühle des frischen Vormittags ein. Kinderstimmen und lachende Rufe entschlüpften taubengleich den hohen Mauern und umflatterten den sonnigen Platz. Fassungslos betrachtete Ron die Renaissancepracht der Fassaden, die stolzen Türme und Giebel der Palazzi, er hörte den klaren Glockenschlag einer nahen Kirchturmuhr, die freund-lichen Zurufe sich grüßender Nachbarn, das hohle Echo von Hufgeklapper auf dem steinernen Pflaster als ein Junge ein ungesatteltes Pferd vorüberführte. Das Schnauben des edlen Tieres und die sanfte Stimme des Jungen, der beruhigend auf es einflüsterte, klangen Ron noch im Ohr, als sich langsam eine bizarre Ge-wissheit in seinem Kopf breitmachte. Wo war er? War das etwa Verona? Sein Blick in das Blau des sich unendlich über ihm ausdehnenden Himmels ließ ihm keinen Zweifel. Das hier war keine Theaterkulisse. Er befand sich wirk-lich in Italien. Aber was war geschehen? Wer oder was hatte ihn hierher gebracht? Lag in die-sem Shakespeare-Stück ein solcher Zauber? Konnten die Worte eines Dichters so mächtig sein? Oder lag es an ihm selbst? War er ein Opfer seiner eigenen Phanta-sie? Mit einem lauten Knall wurde ein Fensterladen über seinem Kopf zugeschla-gen, um die steigende Hitze des Tages auszusperren. Erschrocken fuhr er zu-sammen. Nein, das war kein Traum. Was immer auch gerade hier mit ihm pas-sierte, war real. Absolut real, auch wenn er dafür nicht die geringste logische Erklärung besaß. Noch immer völlig durcheinander beobachtete er, wie Geschäft um Geschäft gerade geöffnet wurde und die Kaufleute ehrerbietig ihre ersten Kunden begrüß-ten. Die heimlichen Blicke vorbeigehender Passanten streiften Ron mit abwägen-dem Interesse. Doch offensichtlich war man den Anblick Fremder gewohnt und so verflüchtigte sich die erste Neugier schnell zu einem nachlässigen Blick und man wandte sich interessanteren Dingen zu. Erleichtert atmete er auf. Seine Anwesenheit, so ungeheuerlich sie ihm selbst vorkam, erregte offenbar niemandes Misstrauen oder Unbehagen. Eigentlich seltsam, dachte er und wagte einen prüfenden Blick an sich herunter. Doch was er sah, verwirrte ihn noch mehr. Seine Kleidung war völlig verwandelt. Mit zittrigen Fingern betastete er das, was eben noch ein graues T-Shirt gewesen war. Verblüfft zupfte er an dem seidigen Kragen eines weitärmeligen, weißen Hem-des. Darüber trug er ein hellgraues, mit zahlreichen dunkelgrauen Applikationen gestepptes Wams, das er an der Hüfte ungewohnt eng tailliert fand, das aber an den Schultern bequem weit geschnitten war. Anstelle der blauen Jeans schmiegte sich ein strumpfhosenähnliches blaues Beinkleid um seine Waden, das sich auf der Höhe der Oberschenkel zu einem kürbisförmigen Stoffballon aufzubauschen begann. Aus seinen schwarzen kunstfasernen Sneakern waren schwarze Schuhe aus Leder geworden, deren weiche, flache Sohlen das Laufen angenehm machen würden. Ungläubig griff er sich ans Kinn und zuckte sofort zurück. Anstelle der glattra-sierten Haut berührte er einen schmalen, kurzen

Ein Blick auf die schöne Unbekannte und schon hat Ron die Verabredung mit seinem Cousin Magus vergessen und folgt ihr durch die Stadt. Doch in der Bibliothek verliert er ihre Spur - oder hat sie ihm mit Shakespeares "Romeo und Julia" eine Botschaft zuspielen wollen? Sofort beginnt Ron mit der Lektüre und findet sich im selben Augenblick mitten in Verona wieder. Was wie eine romantische Liebesgeschichte beginnt, wird nicht nur für Ron zu einer literarischen Reise durch die Weltliteratur - von Verona in das Russland Puschkins, wo Ron plötzlich nicht mehr nur eine Randfigur ist, sondern in die Rolle Eugen Onegins schlüpfen muss - und weiter zu Cervantes "Don Quijote". Schon bald bemerkt Ron, dass er nicht der einzige Wanderer zwischen den Bücherwelten ist. Doch der Ausweg bleibt verschlossen und die Ereignisse mysteriös. Ist die schöne Rosalia der Schlüssel zu diesem Geheimnis? Und welche Rolle spielt der heimlich in seine Nachbarin Charlotte verliebte Magus, der die eigenen Gefühle stets hinter seiner Kunst versteckt? Immer fließender werden die Grenzen zwischen Lesen und Erleben. Und immer stärker rückt die existentielle Frage in den Vordergrund, wo zwischen Realität und Fiktion jeder einzelne seine eigene Wirklichkeit (er-)findet.

1967 in Trier geboren und in Mainz aufgewachsen, studierte Britta Röder bis zum Magisterabschluss an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz Romanistik und Slavistik sowie Mittlere und Neuere Geschichte. Sie arbeitet in Frankfurt/Main bei einem großen Fachzeitschriftenverlag und lebt in Südhessen, zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter. "Die Buchwanderer" ist ihr erster Roman. 2014 folgte der Roman "Zwischen den Atemzügen". "Bücher waren schon immer meine große Leidenschaft. Daher freue ich mich besonders, dass es gerade dieser Roman ist, mit dem ich mein Debüt bestreite.", Britta Röder.

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Autor Röder, Britta
Verlag acabus
ISBN 9783862825189
ISBN/EAN 9783862825189
Lieferzeit 5 Werktage(inkl . Versand)
Erscheinungsdatum 21.02.2017
Lieferbarkeitsdatum 22.10.2021
Einband Kartoniert
Format 2 x 21 x 14
Seitenzahl 296 S.
Gewicht 321

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Verlag acabus
ISBN 9783862825189
Erscheinungsdatum 21.02.2017
Einband Kartoniert
Format 2 x 21 x 14
Gewicht 321

2 Zwei Häuser in Verona, würdevoll, Wohin als Szene unser Spiel Euch bannt, Erwecken neuen Streit aus alten Groll, Und Bürgerblut befleckt die Bürgerhand. Seine Augen flogen über die bekannten Zeilen. In seinem Kopf verwandelten sie sich in den Klang fremder Stimmen, die desto deutlicher zu ihm sprachen, je tiefer er den Sinn des Gelesenen erfasste. Immer dichter wurde die Atmosphäre, die die Worte um ihn herum erschufen. Immer konkreter wuchs das Bild einer neuen Umgebung heran. Ein Luftzug streifte ihn. Hatte er in seiner Wohnung ein Fenster offengelassen? Plötzlich fühlte er sich beobachtet. Er spürte es ganz deutlich und hob überrascht den Kopf. Die Stimmen waren verklungen und er stand auf einem hell gepflasterten Platz inmitten einer fremden Stadt. Wach und zufrieden lag die sorglose Betriebsamkeit eines ruhigen Vormittags auf der Piazza und den mehrstöckigen Gebäuden, die sie umsäumten. Die weit-geöffneten Fenster der oberen Etagen atmeten noch die klare Kühle des frischen Vormittags ein. Kinderstimmen und lachende Rufe entschlüpften taubengleich den hohen Mauern und umflatterten den sonnigen Platz. Fassungslos betrachtete Ron die Renaissancepracht der Fassaden, die stolzen Türme und Giebel der Palazzi, er hörte den klaren Glockenschlag einer nahen Kirchturmuhr, die freund-lichen Zurufe sich grüßender Nachbarn, das hohle Echo von Hufgeklapper auf dem steinernen Pflaster als ein Junge ein ungesatteltes Pferd vorüberführte. Das Schnauben des edlen Tieres und die sanfte Stimme des Jungen, der beruhigend auf es einflüsterte, klangen Ron noch im Ohr, als sich langsam eine bizarre Ge-wissheit in seinem Kopf breitmachte. Wo war er? War das etwa Verona? Sein Blick in das Blau des sich unendlich über ihm ausdehnenden Himmels ließ ihm keinen Zweifel. Das hier war keine Theaterkulisse. Er befand sich wirk-lich in Italien. Aber was war geschehen? Wer oder was hatte ihn hierher gebracht? Lag in die-sem Shakespeare-Stück ein solcher Zauber? Konnten die Worte eines Dichters so mächtig sein? Oder lag es an ihm selbst? War er ein Opfer seiner eigenen Phanta-sie? Mit einem lauten Knall wurde ein Fensterladen über seinem Kopf zugeschla-gen, um die steigende Hitze des Tages auszusperren. Erschrocken fuhr er zu-sammen. Nein, das war kein Traum. Was immer auch gerade hier mit ihm pas-sierte, war real. Absolut real, auch wenn er dafür nicht die geringste logische Erklärung besaß. Noch immer völlig durcheinander beobachtete er, wie Geschäft um Geschäft gerade geöffnet wurde und die Kaufleute ehrerbietig ihre ersten Kunden begrüß-ten. Die heimlichen Blicke vorbeigehender Passanten streiften Ron mit abwägen-dem Interesse. Doch offensichtlich war man den Anblick Fremder gewohnt und so verflüchtigte sich die erste Neugier schnell zu einem nachlässigen Blick und man wandte sich interessanteren Dingen zu. Erleichtert atmete er auf. Seine Anwesenheit, so ungeheuerlich sie ihm selbst vorkam, erregte offenbar niemandes Misstrauen oder Unbehagen. Eigentlich seltsam, dachte er und wagte einen prüfenden Blick an sich herunter. Doch was er sah, verwirrte ihn noch mehr. Seine Kleidung war völlig verwandelt. Mit zittrigen Fingern betastete er das, was eben noch ein graues T-Shirt gewesen war. Verblüfft zupfte er an dem seidigen Kragen eines weitärmeligen, weißen Hem-des. Darüber trug er ein hellgraues, mit zahlreichen dunkelgrauen Applikationen gestepptes Wams, das er an der Hüfte ungewohnt eng tailliert fand, das aber an den Schultern bequem weit geschnitten war. Anstelle der blauen Jeans schmiegte sich ein strumpfhosenähnliches blaues Beinkleid um seine Waden, das sich auf der Höhe der Oberschenkel zu einem kürbisförmigen Stoffballon aufzubauschen begann. Aus seinen schwarzen kunstfasernen Sneakern waren schwarze Schuhe aus Leder geworden, deren weiche, flache Sohlen das Laufen angenehm machen würden. Ungläubig griff er sich ans Kinn und zuckte sofort zurück. Anstelle der glattra-sierten Haut berührte er einen schmalen, kurzen

Ein Blick auf die schöne Unbekannte und schon hat Ron die Verabredung mit seinem Cousin Magus vergessen und folgt ihr durch die Stadt. Doch in der Bibliothek verliert er ihre Spur - oder hat sie ihm mit Shakespeares "Romeo und Julia" eine Botschaft zuspielen wollen? Sofort beginnt Ron mit der Lektüre und findet sich im selben Augenblick mitten in Verona wieder. Was wie eine romantische Liebesgeschichte beginnt, wird nicht nur für Ron zu einer literarischen Reise durch die Weltliteratur - von Verona in das Russland Puschkins, wo Ron plötzlich nicht mehr nur eine Randfigur ist, sondern in die Rolle Eugen Onegins schlüpfen muss - und weiter zu Cervantes "Don Quijote". Schon bald bemerkt Ron, dass er nicht der einzige Wanderer zwischen den Bücherwelten ist. Doch der Ausweg bleibt verschlossen und die Ereignisse mysteriös. Ist die schöne Rosalia der Schlüssel zu diesem Geheimnis? Und welche Rolle spielt der heimlich in seine Nachbarin Charlotte verliebte Magus, der die eigenen Gefühle stets hinter seiner Kunst versteckt? Immer fließender werden die Grenzen zwischen Lesen und Erleben. Und immer stärker rückt die existentielle Frage in den Vordergrund, wo zwischen Realität und Fiktion jeder einzelne seine eigene Wirklichkeit (er-)findet.

1967 in Trier geboren und in Mainz aufgewachsen, studierte Britta Röder bis zum Magisterabschluss an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz Romanistik und Slavistik sowie Mittlere und Neuere Geschichte. Sie arbeitet in Frankfurt/Main bei einem großen Fachzeitschriftenverlag und lebt in Südhessen, zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter. "Die Buchwanderer" ist ihr erster Roman. 2014 folgte der Roman "Zwischen den Atemzügen". "Bücher waren schon immer meine große Leidenschaft. Daher freue ich mich besonders, dass es gerade dieser Roman ist, mit dem ich mein Debüt bestreite.", Britta Röder.

 

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