Raupenfell

Stajner, Tamara

320 Seiten

28,00 €
Inkl. 7% Steuern

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Ich habe gelesen, fährt Beatriz fort, dass man bei euch sowas wie eine Schnupperwoche machen kann. Sie meinen wohl Kloster auf Zeit, wirft Sr. Wibrandis ein. Ganz genau!, sagt Beatriz. Wissen Sie, ich finde schwarz total edel. Ich trage ja auch immer schwarz, sehen sie? Nicht nur im Konzert, auch so, während ich meine Alltagsprosa verrichte. Das klingt schön, finden Sie nicht: Alltagsprosa. Habe ich vor ein paar Tagen irgendwo aufgeschnappt. Schwarz ist schon eine tolle Farbe. Die Schwester errötet und lächelt entzückt. Ist Ihnen aber nicht heiß darunter? Es sieht superheiß aus. Die Wangen der Schwester quillen nun aus den Rändern ihrer Kopfbedeckung. Sie lacht beglückt auf. So eine merkwürdige Frau, überlegt Beatriz. Sie wartet, bis sich die Oberin wieder beruhigt. Haben Sie einen Bezug zu Gott?, will Sr. Wibrandis nun mit einem plötzlichen Ernst wissen. Aus ihrer Mail entnehme ich, dass Sie auf der Suche nach Stille sind. Ja, das stimmt. Nun, was genau suchen Sie? Das muss ich noch herausfinden, sagt Beatriz ruhig. Das ist ein Prozess. Wie alles im Leben. Sowas geht doch nicht von heute auf morgen, so wie eine Wand niederreißen zum Beispiel. Das braucht Zeit. Ich will aber hier sein. Das weiß ich. Waren sie schon mal in einem Kloster?, fragt die Oberin. Wissen Sie, was wir hier tun? Nein. Mein Vater verbot mir, in die Kirche zu gehen. Sie sind demnach auch nicht getauft? Nein. Das Gesicht der Sr. Wibrandis bleibt reglos. War ihr Vater ein gerechter Mensch? Ach, was heißt schon gerecht, seufzt Beatriz. Nach einem kurzen Schweigen setzt sie fort: Auch in den Religionsunterricht durfte ich nicht. Alle anderen Kinder aus der Klasse gingen hin. Wollten Sie hingehen? Nur in die Beichtkammer, da wollte ich hin.

Georgiana Duchamp, Dobrinka Ljubic und Beatriz Lazar kommen aus verschiedenen Ecken Europas. Ihr gemeinsamer Nenner ist Wien. Dort kreuzen sich ihre Wege, als alle drei in einer gerade äußerst turbulenten Lebensphase vor existenziellen Entscheidungen stehen. Die Traumata der drei Protagonistinnen in Tamara Stajners Debütroman werden auf heitere Art und Weise zelebriert: Nachdem ihre Mutter mit dem griechischen Sternekoch Vitalis Mylonas durchgebrannt ist und ihr Vater sich in eine Psychiatrie einliefern lässt, flüchtet die Rumänin Georgiana nach Wien. Jetzt ist sie Cellistin bei den Wiener Philharmonikern, sucht ihr Glück aber in Porto. Dobrinkas Eltern schicken ihre Tochter von der behüteten kroatischen Insel Losinj zur Korrektur ihrer in der Kindheit gebrochenen Nase in die Donaumetropole. Seither hat sie den Wunsch, sich zur medizinischen Kosmetikerin ausbilden zu lassen und einen Schönheitssalon zu betreiben. Als die junge Beatriz zuschauen muss, wie ihre Mutter in einer kleinen Küche im slowenischen Novo mesto vor dampfender Pasta tot umfällt und ihr Vater sich schon längst aus dem Staub gemacht hat, beschließt sie, ein Leben als Pianistin in Wien aufzubauen. Sie landet im Kloster der Salesianerinnen, allerdings läuft auch das nicht ganz nach Plan. Wem gehört ein Körper, der um viele Herkünfte weiß? Wien, Porto, Ljubljana und zwei Inseln an der ehemals jugoslawischen Adriaküste geben die Kulisse für diesen europäischen Frauenroman, der außergewöhnliche Antworten findet auf das, was es bedeutet, sowohl Leben zu geben als auch selbst lebendig zu sein. Auf zarte und radikale Weise zugleich werden Fragen nach Autonomie, Zugehörigkeit, Mutterschaft, Hingabe und Verlust erkundet.

Tamara Stajner wurde 1987 in Novo mesto, Slowenien, geboren. Sie schloss ihr Master-Studium im Konzertfach Viola an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien ab. Derzeit promoviert sie im Fach Musiktheorie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 2020 wurde sie in die Junge Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz aufgenommen, 2022 folgte die Aufnahme in die Gutenberg Akademie. 2022 erschien mit »Schlupflöcher« ihr erster Gedichtband, Raupenfell ist ihr erster Roman. Sie lebt in Wien und im Rhein-Main-Gebiet.

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Autor Stajner, Tamara
Verlag Verlag Das Wunderhorn GmbH
ISBN 9783884237014
ISBN/EAN 9783884237014
Lieferzeit 5 Werktage(inkl . Versand)
Erscheinungsdatum 11.05.2023
Einband Gebunden
Format 3.2 x 21.4 x 14.5
Seitenzahl 320 S.
Gewicht 497

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Verlag Verlag Das Wunderhorn GmbH
ISBN 9783884237014
Erscheinungsdatum 11.05.2023
Einband Gebunden
Format 3.2 x 21.4 x 14.5
Gewicht 497

Ich habe gelesen, fährt Beatriz fort, dass man bei euch sowas wie eine Schnupperwoche machen kann. Sie meinen wohl Kloster auf Zeit, wirft Sr. Wibrandis ein. Ganz genau!, sagt Beatriz. Wissen Sie, ich finde schwarz total edel. Ich trage ja auch immer schwarz, sehen sie? Nicht nur im Konzert, auch so, während ich meine Alltagsprosa verrichte. Das klingt schön, finden Sie nicht: Alltagsprosa. Habe ich vor ein paar Tagen irgendwo aufgeschnappt. Schwarz ist schon eine tolle Farbe. Die Schwester errötet und lächelt entzückt. Ist Ihnen aber nicht heiß darunter? Es sieht superheiß aus. Die Wangen der Schwester quillen nun aus den Rändern ihrer Kopfbedeckung. Sie lacht beglückt auf. So eine merkwürdige Frau, überlegt Beatriz. Sie wartet, bis sich die Oberin wieder beruhigt. Haben Sie einen Bezug zu Gott?, will Sr. Wibrandis nun mit einem plötzlichen Ernst wissen. Aus ihrer Mail entnehme ich, dass Sie auf der Suche nach Stille sind. Ja, das stimmt. Nun, was genau suchen Sie? Das muss ich noch herausfinden, sagt Beatriz ruhig. Das ist ein Prozess. Wie alles im Leben. Sowas geht doch nicht von heute auf morgen, so wie eine Wand niederreißen zum Beispiel. Das braucht Zeit. Ich will aber hier sein. Das weiß ich. Waren sie schon mal in einem Kloster?, fragt die Oberin. Wissen Sie, was wir hier tun? Nein. Mein Vater verbot mir, in die Kirche zu gehen. Sie sind demnach auch nicht getauft? Nein. Das Gesicht der Sr. Wibrandis bleibt reglos. War ihr Vater ein gerechter Mensch? Ach, was heißt schon gerecht, seufzt Beatriz. Nach einem kurzen Schweigen setzt sie fort: Auch in den Religionsunterricht durfte ich nicht. Alle anderen Kinder aus der Klasse gingen hin. Wollten Sie hingehen? Nur in die Beichtkammer, da wollte ich hin.

Georgiana Duchamp, Dobrinka Ljubic und Beatriz Lazar kommen aus verschiedenen Ecken Europas. Ihr gemeinsamer Nenner ist Wien. Dort kreuzen sich ihre Wege, als alle drei in einer gerade äußerst turbulenten Lebensphase vor existenziellen Entscheidungen stehen. Die Traumata der drei Protagonistinnen in Tamara Stajners Debütroman werden auf heitere Art und Weise zelebriert: Nachdem ihre Mutter mit dem griechischen Sternekoch Vitalis Mylonas durchgebrannt ist und ihr Vater sich in eine Psychiatrie einliefern lässt, flüchtet die Rumänin Georgiana nach Wien. Jetzt ist sie Cellistin bei den Wiener Philharmonikern, sucht ihr Glück aber in Porto. Dobrinkas Eltern schicken ihre Tochter von der behüteten kroatischen Insel Losinj zur Korrektur ihrer in der Kindheit gebrochenen Nase in die Donaumetropole. Seither hat sie den Wunsch, sich zur medizinischen Kosmetikerin ausbilden zu lassen und einen Schönheitssalon zu betreiben. Als die junge Beatriz zuschauen muss, wie ihre Mutter in einer kleinen Küche im slowenischen Novo mesto vor dampfender Pasta tot umfällt und ihr Vater sich schon längst aus dem Staub gemacht hat, beschließt sie, ein Leben als Pianistin in Wien aufzubauen. Sie landet im Kloster der Salesianerinnen, allerdings läuft auch das nicht ganz nach Plan. Wem gehört ein Körper, der um viele Herkünfte weiß? Wien, Porto, Ljubljana und zwei Inseln an der ehemals jugoslawischen Adriaküste geben die Kulisse für diesen europäischen Frauenroman, der außergewöhnliche Antworten findet auf das, was es bedeutet, sowohl Leben zu geben als auch selbst lebendig zu sein. Auf zarte und radikale Weise zugleich werden Fragen nach Autonomie, Zugehörigkeit, Mutterschaft, Hingabe und Verlust erkundet.

Tamara Stajner wurde 1987 in Novo mesto, Slowenien, geboren. Sie schloss ihr Master-Studium im Konzertfach Viola an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien ab. Derzeit promoviert sie im Fach Musiktheorie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 2020 wurde sie in die Junge Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz aufgenommen, 2022 folgte die Aufnahme in die Gutenberg Akademie. 2022 erschien mit »Schlupflöcher« ihr erster Gedichtband, Raupenfell ist ihr erster Roman. Sie lebt in Wien und im Rhein-Main-Gebiet.

 

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