Tapirgebein

Schröder, Wolf Christian

280 Seiten

25,00 €
Inkl. 7% Steuern

Lieferzeit: Vorbestellbar

Erscheint am: 14.05.2024

Am Nachmittag war die Hitze am größten. Die halbrunde Hitzeglocke verbog sich unter dem eigenen Gewicht, sackte in der Mitte ein. Ich nahm die Gestalt einer alten Frau an und setzte mich in ein Straßencafé. Eine alte Frau? Unsinn! Was dachte ich da für einen Blödsinn! Tatsächlich aber war es mir seit längerem nicht gut gegangen. Am Kurfürstendamm setzte ich mich an einen Tisch auf dem Bürgersteig. Mein Anwaltsjackett hatte ich über einen freien Stuhl geworfen, die Ärmel des weißen Hemdes hochgekrempelt, die Sonnenbrille trotz des Schattenplatzes nicht abgenommen. An einem kalt beschlagenen Bierglas kühlte ich meine Stirn.  * * * * * Es gibt Tage, an denen das Schicksal, sonst geschwächt durch sein Alter, sonst abgestumpft und verblödet durch Routine, sonst ausgebrannt durch Wiederholung, durch Überdruss an den Leben, die es gestalten muss, sich jung fühlt wie am frühesten Morgen, und spielerisch leicht, wie nur das Schicksal es kann, wirft es die Bälle des Zufalls dann hoch in die Luft und jongliert. Ja, die Figuren, die die Bälle in der Luft beschreiben, wenn das Schicksal an einem guten Tag Genug gefaselt! * * * * * Ich hatte seit meiner Heimkehr fast nichts mehr getrunken, der ungewohnte Alkohol stieg mir zu Kopf; größer und stärker kam ich mir vor, Haupt und Schultern schienen mir von Anmut umflossen. Ja, jetzt konnten die weißarmigen Mädchen kommen! Mit ein, zwei Schritten war ich an der Stereoanlage und hatte eine Diskette eingeschoben. Ich kannte ja alles hier, alles hier hatte ja mir gehört. Sofort ruckten und zuckten wir drei zu der alten Musik, schlugen auch Luftgitarren an, unser schütteres Haar flog im Rhythmus des Tanzes. Auch Sutors Füße in den Maßschuhen wippten, lächelnd und aufmunternd schaute er uns zu. Die hechtgraue Jacke seines Anzugs hatte er ausgezogen und über einen Sessel gelegt, die Krawatte gelockert. Dann tanzte er und warf seinen eleganten Vogelkopf ekstatisch hin und her. Ja, dachte ich neidlos und sah ihm aus dem Augenwinkel zu, auch unsere Tänze tanzt du besser als wir.

An einem sehr heißen Sommertag wird ein junger Anwalt beim Jonglieren im Park von einer Frau angesprochen. Sie möchte ihn für ihren Zirkus gewinnen. Er nimmt das nicht ernst, findet sich aber frühmorgens auf dem Weg zum Bahnhof, ohne seine Familie und seinen Sozius in der Kanzlei zu informieren. Der Zirkus besteht aus zwei Eisenbahnwaggons, in denen die schöne Akrobatin wohnt. Der Ich-Erzähler soll als Jongleur zusammen mit einem Clown die Truppe vervollständigen. Jedenfalls geht die Fahrt weit nach Osten in Länder, deren Namen man kaum kennt. Die Wagen stehen auf Abstellgleisen entlegener Bahnhöfe, bis einmal eine Lokomotive zur Verfügung steht. Die Auftrittsorte sind Krankenhäuser, Fabriken, Dorfhochzeiten. Trotz aller Entbehrungen empfindet der Ich-Erzähler große Zufriedenheit, sogar Glück. Doch dieses Glück endet jäh und er findet sich gestrandet in einem einsamen Landstrich. In einem Container mit illegalen Migranten kommt er zurück nach Berlin. Am Gartentor angekommen wird er von Frau und Kindern nicht erkannt. Sein ehemaliger Sozius hat inzwischen seinen Platz in der Familie eingenommen. Schließlich macht er sich wie zu Beginn wieder auf zum Bahnhof.

Mehr Informationen
Autor Schröder, Wolf Christian
Verlag PalmArtPress
ISBN 9783962581831
ISBN/EAN 9783962581831
Lieferzeit Vorbestellbar
Erscheinungsdatum 14.05.2024
Lieferbarkeitsdatum 25.10.2024
Einband Gebunden
Seitenzahl 280 S.

Weitere Informationen

Mehr Informationen
Verlag PalmArtPress
ISBN 9783962581831
Erscheinungsdatum 14.05.2024
Einband Gebunden

Am Nachmittag war die Hitze am größten. Die halbrunde Hitzeglocke verbog sich unter dem eigenen Gewicht, sackte in der Mitte ein. Ich nahm die Gestalt einer alten Frau an und setzte mich in ein Straßencafé. Eine alte Frau? Unsinn! Was dachte ich da für einen Blödsinn! Tatsächlich aber war es mir seit längerem nicht gut gegangen. Am Kurfürstendamm setzte ich mich an einen Tisch auf dem Bürgersteig. Mein Anwaltsjackett hatte ich über einen freien Stuhl geworfen, die Ärmel des weißen Hemdes hochgekrempelt, die Sonnenbrille trotz des Schattenplatzes nicht abgenommen. An einem kalt beschlagenen Bierglas kühlte ich meine Stirn.  * * * * * Es gibt Tage, an denen das Schicksal, sonst geschwächt durch sein Alter, sonst abgestumpft und verblödet durch Routine, sonst ausgebrannt durch Wiederholung, durch Überdruss an den Leben, die es gestalten muss, sich jung fühlt wie am frühesten Morgen, und spielerisch leicht, wie nur das Schicksal es kann, wirft es die Bälle des Zufalls dann hoch in die Luft und jongliert. Ja, die Figuren, die die Bälle in der Luft beschreiben, wenn das Schicksal an einem guten Tag Genug gefaselt! * * * * * Ich hatte seit meiner Heimkehr fast nichts mehr getrunken, der ungewohnte Alkohol stieg mir zu Kopf; größer und stärker kam ich mir vor, Haupt und Schultern schienen mir von Anmut umflossen. Ja, jetzt konnten die weißarmigen Mädchen kommen! Mit ein, zwei Schritten war ich an der Stereoanlage und hatte eine Diskette eingeschoben. Ich kannte ja alles hier, alles hier hatte ja mir gehört. Sofort ruckten und zuckten wir drei zu der alten Musik, schlugen auch Luftgitarren an, unser schütteres Haar flog im Rhythmus des Tanzes. Auch Sutors Füße in den Maßschuhen wippten, lächelnd und aufmunternd schaute er uns zu. Die hechtgraue Jacke seines Anzugs hatte er ausgezogen und über einen Sessel gelegt, die Krawatte gelockert. Dann tanzte er und warf seinen eleganten Vogelkopf ekstatisch hin und her. Ja, dachte ich neidlos und sah ihm aus dem Augenwinkel zu, auch unsere Tänze tanzt du besser als wir.

An einem sehr heißen Sommertag wird ein junger Anwalt beim Jonglieren im Park von einer Frau angesprochen. Sie möchte ihn für ihren Zirkus gewinnen. Er nimmt das nicht ernst, findet sich aber frühmorgens auf dem Weg zum Bahnhof, ohne seine Familie und seinen Sozius in der Kanzlei zu informieren. Der Zirkus besteht aus zwei Eisenbahnwaggons, in denen die schöne Akrobatin wohnt. Der Ich-Erzähler soll als Jongleur zusammen mit einem Clown die Truppe vervollständigen. Jedenfalls geht die Fahrt weit nach Osten in Länder, deren Namen man kaum kennt. Die Wagen stehen auf Abstellgleisen entlegener Bahnhöfe, bis einmal eine Lokomotive zur Verfügung steht. Die Auftrittsorte sind Krankenhäuser, Fabriken, Dorfhochzeiten. Trotz aller Entbehrungen empfindet der Ich-Erzähler große Zufriedenheit, sogar Glück. Doch dieses Glück endet jäh und er findet sich gestrandet in einem einsamen Landstrich. In einem Container mit illegalen Migranten kommt er zurück nach Berlin. Am Gartentor angekommen wird er von Frau und Kindern nicht erkannt. Sein ehemaliger Sozius hat inzwischen seinen Platz in der Familie eingenommen. Schließlich macht er sich wie zu Beginn wieder auf zum Bahnhof.

 

Kategorie