Mit Respekt

Geschichten, Stücke, Monologe und Dialoge, Pocket - Polt 4

Polt, Gerhard

368 Seiten

16,00 €
Inkl. 7% Steuern

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VOM GEBEN UND NEHMEN Quanto costaDie Tatsache, dass wir Deutsche den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben, verdanken wir meiner Ansicht nach eindeutig dem Amerikaner. Wem sonst? - Aber der Amerikaner natürlich, der lasst sich das - der sagt: »I dont pay.« - Und wir zahlen, seitdem zahlen wir - wir zahlen alles. Ja, glaubst du, dass zum Beispiel uns das Afrika jemals rentiert? - Wir zahlen alles Südamerika, die Spanier habens nur ausgepresst wie ein Schwamm - und wir zahlens. Was ist denn in dem Südamerika noch drin? Ein paar Fußballer. - Wir zahlen alles. Russland - ein Fass ohne Boden. Wahnsinn. Dann Polen - nein, über Polen brauchen wir gar nicht zu reden. Warum kommen die zu uns? Weil sie Geld wollen - wir zahlens. Israel - Schwamm drüber, da brauchen wir gar nicht reden. Albanier, da zahlen wir, dass sie unten bleiben, und wenn sie raufkommen, dann zahlen wir, dass sie wieder runtergehen. Wir zahlen alles. Alles wird bezahlt. Wir zahlen und zahlen. Wenn irgendwo in Asien eine Wüste austrocknet - wer zahlt die? Wir. - Wenn in Taiwan ein Puff brennt - das zahlen wir auch Wir zahlen alles! Aber irgendwann hab ich die Schnauz voll. Irgendwann mag ich nicht mehr zahlen. Der Kanzler raucht eine Havanna, ja, wer zahlts? Doch nicht der Castro - die zahlen wir. - Und der Umzug nach Berlin, was das Geld gekostet dieser Umzug! Ich weiß ja, wovon ich rede. Ich bin ja Beamter - ich bin A 15, was ich allein für Ansprüche hab an den Staat. Ja, wer soll denn das noch zahlen? Was ich den Staat jeden Tag koste. Das ist ja Wahnsinn. Manchmal denk ich mir, besser wär es gewesen, wir hätten den Krieg verloren. GreissparkasseGrüß Gott beinand! Ich hab euch jemanden mitgebracht. Sitzt an einem Tisch und öffnet eine kleine Schachtel mit Luftlöchern. Darin auf grünem Blatt ein Käfer. Schaun S her - da isser! Das ist der Punteruolo oro. Ich hab ihn aus Italien mitgebracht, weil er dort schon alle Palmen gefressen hat und vereinsamt war. Jetzt hat ein deutsches Forscherteam herausgefunden, dass er durchaus auch Geschmack an Buchen und Ahorn findet kann. Jetzt soll er halt im Landkreis Miesbach heimisch werden. Da sieht er in kastanienbeschatteten Biergärten echte Oasen der Gemütlichkeit. Diese Nachricht muss den Gmunder Gemeindevätern einen derartigen Schock verpasst haben, dass sie die Masken fallen haben lassen. Dabei muss der Begriff »kollateral« nicht ausschließlich mit Schaden in Verbindung gebracht werden, vielleicht sogar mit Benefit. Wenn zum Beispiel in Viruszeiten das Oberland von einer Blechlawine überrollt wird, weil der Großstädter die Natur und die Einsamkeit sucht - der Spitzingsee verwandelt sich gerade in eine Event-Einsiedelei -, dann findet der Miesbacher in München eine Leere und ein Parkparadies wie in den Zeiten der großen Ölkrise. Dass die Großstädter aus ganz Deutschland jetzt unbedingt auch an den Tegernsee und Schliersee siedeln wollen, um dort die Rustikalität und Urwüchsigkeit zu ihrem neuen Heimatempfinden zu machen, liegt aber auch daran, dass die Grundstückspreise wirklich verlocken. In Schwabing-West müssten sie für ein Einzimmerapartment mit 45 m2 eine Million hinlegen, und bei uns kriegen sie für drei bis vier Millionen schon was Gescheites, wo der Begriff »wohnen« noch etwas Bodenständiges hat, und dank der Neubürgerbegehren die Dezibelbelästigung durch gackerndes Geflügel und Kuhglockengeläut bald ganz der Vergangenheit angehören wird. Diese Klientel will einfach ihre Ruhe und murrt nicht einmal, wenn sie Strafzinsen auf ihr Vermögen zahlen muss. Strafzinsen müssten übrigens in etwas Positiveres umgemünzt werden, vielleicht Vorwärtsobulus oder Overspill Charge, dann hätte es etwas Englisches, etwas Internationales. Internationalisieren könnte man auch das Tegernseer Bräustüberl, so wie das Oktober fest. Zechezahlen weltweit natürlich mit einem Bankomaten der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee. Mein Schwager lebt in Venezuela und vermisst seine Kreissparkasse schmerzlich, das Bräustüberl natürlich auch! Seit Jahren fahre ich durch meinen Ort und zähle die leer stehenden Geschäfte entlang der Hauptstraße, zwölf glaub ich sinds, oder seit kurzem fünfzehn. Wo bleibt das Unternehmertum! Wieso gibts noch kein Sushi to go? Warum so wenige Geschäfte, wo man was kaufen kann, was man nicht braucht? Vielleicht würde auch mehr Diversifikation helfen: Hier nur Schafwollsocken, daneben nur Badeschlapfen - Einzelhandel - nicht so ein Zoogeschäft, wo alle Viecher drin sind. Nein, hier syrische Hamster und dort Meerschweinchen! Auch amal an Hundeladen! Bei uns können die noch unbeirrt in die Landschaft scheißen! Beim Verkehr hat mans doch auch geschafft. Neuhaus-Miesbach in 90 Minuten ist keine Zukunftsmusik mehr. Der Neubürger pendelt natürlich zu seinem Arbeitsplatz im Kraftfahrzeug. Wenn die B307 ihre angestammte Kapazität nicht verändert, dann müssen sich der Notfallpatient und der Großbrand halt in Geduld üben. Wenn deshalb ein Investor mit Augenmaß Hubschrauberlandeplätze für Flugtaxis baut und die Amazonpackerlflut per Drohne abwerfen lässt, dann wird der Landkreis noch attraktiver, zumal er - der Investor - für worldwide gestresste Very Important Persons natürlich auch Highspeed Recreation Treatment direkt im See-Resort anbietet. Am wichtigsten aber ist und bleibt die Jugend! In die muss man investieren! Die hat die Zukunft noch lange vor sich, wir eher nicht! Keine Angst, ich red nicht vom Schlierseer Altersheim! Aber es soll halt doch nicht amal heißen: Wart, ich roll noch schnell in die Greissparkasse! VOM AUF UND ABSTEIGEN GhostwriterIch zitiere - also, ich zittere nicht, nein - ein Zitat also: »Sicherlich, ich bin bereit, jederzeit Verantwortung zu übernehmen, solange noch eine da ist, die ich nicht zu verantworten habe.« Gut, gell? Ha! Ich zitiere noch mal: »Ich bin jederzeit bereit, Verantwortung zu übernehmen, solange noch eine da ist, die ich nicht zu verantworten habe!« - Dieser Satz war die Grundlage für den Orden wider den tierischen Ernst. Ich finde, der Orden war hochverdient! Die Leute lagen am Boden vor Begeisterung. Die haben in die Tischdecke gebissen. Eine umwerfende Komik. Das mehrfach gespielte Tata-tata-tata ging vollkommen in der Begeisterung unter. Enorm! Aber all das ist ja nur peripher gegen die Tatsache, dass er als Träger des Karl-Valentin-Ordens, den ihm die Narhalla verliehen hat, als ganz großer Humorist deutscher Zunge in Erscheinung tritt. Ich sag das nicht einfach so dahin, aber ich bin sein Ghostwriter und war zuständig für das Humorvolle - aber wohlgemerkt, nicht am Nockherberg. Ich meine, Sie können sich vorstellen, die Aufgabe ist besonders delikat. Autor für einen Mann, der als politischer Redner wahre Lachsalven verursacht - das ist kein Kinderspiel. Schaun Sie, mein Kollege, der Dr. Spitzner vom Wirtschaftsministerium, schreibt solche Reden - also seriöse Reden - wie die über den Deutschen Ritterorden, wo der Kandidat im weißen Mantel mit schwarzem Kreuz auftritt und die Rentabilität der Kreuzritter im Kloster Weyarn beweist. Dreizehn Prozent sind aber bei acht Prozent - wenn wir davon ausgehen, dass wir bei elf Prozent die Grenze der Verantwortlichkeit bereits um vier Prozent überschritten haben - durchaus im grünen Bereich der allgemeinen Trostlosigkeit, die einen Bestandteil dessen, was prozentual ausdrückbar ist, ausmacht. Ich hoffe, Sie verstehen mein Problem. Man sagt, ein Behinderter solle auf der Bühne nie einen Behinderten spielen. Und ein Komiker, der bei allem, was er sagt, brüllendes Gelächter hervorruft, weil er bei jeder Rolle - vor allem aus Wilhelm Busch, wo er als Schneider Böck wie als Pater Filucius oder Lehrer Lämpl brilliert - behauptet, dies als Politiker zu tun, wirft die Frage auf: Darf ein Komiker einen Komiker spielen? Das Markenzeichen, sein unnachahmliches »Sicherlich« oder »Äh«, steht für Komödiantentum, das ohne Politik glänzend besteht! Nicht der Politiker will komisch sein, sondern die Komik bestimmt die Politik! Und das alles ohne Luftschlange, ohne Konfetti, ohne S...

Hinter Gerhard Polts unvergleichlicher Bühnenpräsenz, in der er seine Figuren scheinbar nur so dahinreden lässt, verbergen sich fein ziselierte und facettenreiche Blicke auf die Menschen und unsere Welt. Es sind seine genauen Beobachtungen, sein Durchdringen unterschiedlichster Charaktere, die elliptischen Satzkonstruktionen, die exakte Wortwahl und sein wohlwollendes Interesse am Menschen, die Gerhard Polts große Kunst ausmachen. Die aktualisierte Werkausgabe in vier chronologischen Bänden versammelt sein bis zum heutigen Tag geschaffenes Werk. Einzelne der Stücke, Dialoge und Monologe sind in Zusammenarbeit mit Hanns Christian Müller entstanden.

Gerhard Polt, geboren 1942 in München, aufgewachsen im Wallfahrtsort Altötting, studierte in Göteborg und München. Seit 1975 brilliert Polt als Kabarettist, Schauspieler, Poet und Philosoph auf deutschen und internationalen Bühnen. 2001 wurde er mit dem Bayerischen Staatspreis für Literatur (»Jean-Paul-Preis«) ausgezeichnet, 2019 folgte der Kulturelle Ehrenpreis der Landeshauptstadt München. Polt lebt und schreibt in Schliersee, München und Terracina. Sein Gesamtwerk ist bei Kein & Aber erschienen.

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Autor Polt, Gerhard
Verlag Kein & Aber AG
ISBN 9783036961392
ISBN/EAN 9783036961392
Lieferzeit 5 Werktage(inkl . Versand)
Erscheinungsdatum 23.11.2021
Lieferbarkeitsdatum 12.04.2022
Einband Kartoniert
Format 2.6 x 18.6 x 11.7
Seitenzahl 368 S.
Gewicht 322

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Verlag Kein & Aber AG
ISBN 9783036961392
Erscheinungsdatum 23.11.2021
Einband Kartoniert
Format 2.6 x 18.6 x 11.7
Gewicht 322

VOM GEBEN UND NEHMEN Quanto costaDie Tatsache, dass wir Deutsche den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben, verdanken wir meiner Ansicht nach eindeutig dem Amerikaner. Wem sonst? - Aber der Amerikaner natürlich, der lasst sich das - der sagt: »I dont pay.« - Und wir zahlen, seitdem zahlen wir - wir zahlen alles. Ja, glaubst du, dass zum Beispiel uns das Afrika jemals rentiert? - Wir zahlen alles Südamerika, die Spanier habens nur ausgepresst wie ein Schwamm - und wir zahlens. Was ist denn in dem Südamerika noch drin? Ein paar Fußballer. - Wir zahlen alles. Russland - ein Fass ohne Boden. Wahnsinn. Dann Polen - nein, über Polen brauchen wir gar nicht zu reden. Warum kommen die zu uns? Weil sie Geld wollen - wir zahlens. Israel - Schwamm drüber, da brauchen wir gar nicht reden. Albanier, da zahlen wir, dass sie unten bleiben, und wenn sie raufkommen, dann zahlen wir, dass sie wieder runtergehen. Wir zahlen alles. Alles wird bezahlt. Wir zahlen und zahlen. Wenn irgendwo in Asien eine Wüste austrocknet - wer zahlt die? Wir. - Wenn in Taiwan ein Puff brennt - das zahlen wir auch Wir zahlen alles! Aber irgendwann hab ich die Schnauz voll. Irgendwann mag ich nicht mehr zahlen. Der Kanzler raucht eine Havanna, ja, wer zahlts? Doch nicht der Castro - die zahlen wir. - Und der Umzug nach Berlin, was das Geld gekostet dieser Umzug! Ich weiß ja, wovon ich rede. Ich bin ja Beamter - ich bin A 15, was ich allein für Ansprüche hab an den Staat. Ja, wer soll denn das noch zahlen? Was ich den Staat jeden Tag koste. Das ist ja Wahnsinn. Manchmal denk ich mir, besser wär es gewesen, wir hätten den Krieg verloren. GreissparkasseGrüß Gott beinand! Ich hab euch jemanden mitgebracht. Sitzt an einem Tisch und öffnet eine kleine Schachtel mit Luftlöchern. Darin auf grünem Blatt ein Käfer. Schaun S her - da isser! Das ist der Punteruolo oro. Ich hab ihn aus Italien mitgebracht, weil er dort schon alle Palmen gefressen hat und vereinsamt war. Jetzt hat ein deutsches Forscherteam herausgefunden, dass er durchaus auch Geschmack an Buchen und Ahorn findet kann. Jetzt soll er halt im Landkreis Miesbach heimisch werden. Da sieht er in kastanienbeschatteten Biergärten echte Oasen der Gemütlichkeit. Diese Nachricht muss den Gmunder Gemeindevätern einen derartigen Schock verpasst haben, dass sie die Masken fallen haben lassen. Dabei muss der Begriff »kollateral« nicht ausschließlich mit Schaden in Verbindung gebracht werden, vielleicht sogar mit Benefit. Wenn zum Beispiel in Viruszeiten das Oberland von einer Blechlawine überrollt wird, weil der Großstädter die Natur und die Einsamkeit sucht - der Spitzingsee verwandelt sich gerade in eine Event-Einsiedelei -, dann findet der Miesbacher in München eine Leere und ein Parkparadies wie in den Zeiten der großen Ölkrise. Dass die Großstädter aus ganz Deutschland jetzt unbedingt auch an den Tegernsee und Schliersee siedeln wollen, um dort die Rustikalität und Urwüchsigkeit zu ihrem neuen Heimatempfinden zu machen, liegt aber auch daran, dass die Grundstückspreise wirklich verlocken. In Schwabing-West müssten sie für ein Einzimmerapartment mit 45 m2 eine Million hinlegen, und bei uns kriegen sie für drei bis vier Millionen schon was Gescheites, wo der Begriff »wohnen« noch etwas Bodenständiges hat, und dank der Neubürgerbegehren die Dezibelbelästigung durch gackerndes Geflügel und Kuhglockengeläut bald ganz der Vergangenheit angehören wird. Diese Klientel will einfach ihre Ruhe und murrt nicht einmal, wenn sie Strafzinsen auf ihr Vermögen zahlen muss. Strafzinsen müssten übrigens in etwas Positiveres umgemünzt werden, vielleicht Vorwärtsobulus oder Overspill Charge, dann hätte es etwas Englisches, etwas Internationales. Internationalisieren könnte man auch das Tegernseer Bräustüberl, so wie das Oktober fest. Zechezahlen weltweit natürlich mit einem Bankomaten der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee. Mein Schwager lebt in Venezuela und vermisst seine Kreissparkasse schmerzlich, das Bräustüberl natürlich auch! Seit Jahren fahre ich durch meinen Ort und zähle die leer stehenden Geschäfte entlang der Hauptstraße, zwölf glaub ich sinds, oder seit kurzem fünfzehn. Wo bleibt das Unternehmertum! Wieso gibts noch kein Sushi to go? Warum so wenige Geschäfte, wo man was kaufen kann, was man nicht braucht? Vielleicht würde auch mehr Diversifikation helfen: Hier nur Schafwollsocken, daneben nur Badeschlapfen - Einzelhandel - nicht so ein Zoogeschäft, wo alle Viecher drin sind. Nein, hier syrische Hamster und dort Meerschweinchen! Auch amal an Hundeladen! Bei uns können die noch unbeirrt in die Landschaft scheißen! Beim Verkehr hat mans doch auch geschafft. Neuhaus-Miesbach in 90 Minuten ist keine Zukunftsmusik mehr. Der Neubürger pendelt natürlich zu seinem Arbeitsplatz im Kraftfahrzeug. Wenn die B307 ihre angestammte Kapazität nicht verändert, dann müssen sich der Notfallpatient und der Großbrand halt in Geduld üben. Wenn deshalb ein Investor mit Augenmaß Hubschrauberlandeplätze für Flugtaxis baut und die Amazonpackerlflut per Drohne abwerfen lässt, dann wird der Landkreis noch attraktiver, zumal er - der Investor - für worldwide gestresste Very Important Persons natürlich auch Highspeed Recreation Treatment direkt im See-Resort anbietet. Am wichtigsten aber ist und bleibt die Jugend! In die muss man investieren! Die hat die Zukunft noch lange vor sich, wir eher nicht! Keine Angst, ich red nicht vom Schlierseer Altersheim! Aber es soll halt doch nicht amal heißen: Wart, ich roll noch schnell in die Greissparkasse! VOM AUF UND ABSTEIGEN GhostwriterIch zitiere - also, ich zittere nicht, nein - ein Zitat also: »Sicherlich, ich bin bereit, jederzeit Verantwortung zu übernehmen, solange noch eine da ist, die ich nicht zu verantworten habe.« Gut, gell? Ha! Ich zitiere noch mal: »Ich bin jederzeit bereit, Verantwortung zu übernehmen, solange noch eine da ist, die ich nicht zu verantworten habe!« - Dieser Satz war die Grundlage für den Orden wider den tierischen Ernst. Ich finde, der Orden war hochverdient! Die Leute lagen am Boden vor Begeisterung. Die haben in die Tischdecke gebissen. Eine umwerfende Komik. Das mehrfach gespielte Tata-tata-tata ging vollkommen in der Begeisterung unter. Enorm! Aber all das ist ja nur peripher gegen die Tatsache, dass er als Träger des Karl-Valentin-Ordens, den ihm die Narhalla verliehen hat, als ganz großer Humorist deutscher Zunge in Erscheinung tritt. Ich sag das nicht einfach so dahin, aber ich bin sein Ghostwriter und war zuständig für das Humorvolle - aber wohlgemerkt, nicht am Nockherberg. Ich meine, Sie können sich vorstellen, die Aufgabe ist besonders delikat. Autor für einen Mann, der als politischer Redner wahre Lachsalven verursacht - das ist kein Kinderspiel. Schaun Sie, mein Kollege, der Dr. Spitzner vom Wirtschaftsministerium, schreibt solche Reden - also seriöse Reden - wie die über den Deutschen Ritterorden, wo der Kandidat im weißen Mantel mit schwarzem Kreuz auftritt und die Rentabilität der Kreuzritter im Kloster Weyarn beweist. Dreizehn Prozent sind aber bei acht Prozent - wenn wir davon ausgehen, dass wir bei elf Prozent die Grenze der Verantwortlichkeit bereits um vier Prozent überschritten haben - durchaus im grünen Bereich der allgemeinen Trostlosigkeit, die einen Bestandteil dessen, was prozentual ausdrückbar ist, ausmacht. Ich hoffe, Sie verstehen mein Problem. Man sagt, ein Behinderter solle auf der Bühne nie einen Behinderten spielen. Und ein Komiker, der bei allem, was er sagt, brüllendes Gelächter hervorruft, weil er bei jeder Rolle - vor allem aus Wilhelm Busch, wo er als Schneider Böck wie als Pater Filucius oder Lehrer Lämpl brilliert - behauptet, dies als Politiker zu tun, wirft die Frage auf: Darf ein Komiker einen Komiker spielen? Das Markenzeichen, sein unnachahmliches »Sicherlich« oder »Äh«, steht für Komödiantentum, das ohne Politik glänzend besteht! Nicht der Politiker will komisch sein, sondern die Komik bestimmt die Politik! Und das alles ohne Luftschlange, ohne Konfetti, ohne S...

Hinter Gerhard Polts unvergleichlicher Bühnenpräsenz, in der er seine Figuren scheinbar nur so dahinreden lässt, verbergen sich fein ziselierte und facettenreiche Blicke auf die Menschen und unsere Welt. Es sind seine genauen Beobachtungen, sein Durchdringen unterschiedlichster Charaktere, die elliptischen Satzkonstruktionen, die exakte Wortwahl und sein wohlwollendes Interesse am Menschen, die Gerhard Polts große Kunst ausmachen. Die aktualisierte Werkausgabe in vier chronologischen Bänden versammelt sein bis zum heutigen Tag geschaffenes Werk. Einzelne der Stücke, Dialoge und Monologe sind in Zusammenarbeit mit Hanns Christian Müller entstanden.

Gerhard Polt, geboren 1942 in München, aufgewachsen im Wallfahrtsort Altötting, studierte in Göteborg und München. Seit 1975 brilliert Polt als Kabarettist, Schauspieler, Poet und Philosoph auf deutschen und internationalen Bühnen. 2001 wurde er mit dem Bayerischen Staatspreis für Literatur (»Jean-Paul-Preis«) ausgezeichnet, 2019 folgte der Kulturelle Ehrenpreis der Landeshauptstadt München. Polt lebt und schreibt in Schliersee, München und Terracina. Sein Gesamtwerk ist bei Kein & Aber erschienen.

 

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