BRIEF AN MEINEN DIKTATOR

o A, Eugène

224 Seiten

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Erscheint am: 21.05.2024

Ich bin in dem Land geboren, das du zweiundzwanzig Jahre lang tyrannisiert hast. Meine Eltern sind vor deiner Sicherheits- und Schnüffelpolizei, der Securitate - geflüchtet. Als ich sechs Jahre alt war, bin ich ihnen in die Schweiz nachgereist, in ein Land, das Führern misstraut und den Präsidenten jährlich neu wählt. Ich war noch nicht zwanzig, als du erschossen wurdest. Heute bin ich zweiundfünfzig. Zweiunddreissig Jahre liegst du schon im Grab, Nicolae. () Meine Eltern fuhren durch Ungarn, als wäre der Teufel hinter ihnen her. Mit Vollgas aus dem Ostblock, ohne Zwischenhalt, nicht einmal in Budapest. Sie haben ihre Käsebrote verdrückt, die Kaffeekanne geleert, alles während der Fahrt. Sie flohen vor dir. Mit hundert Kilometern pro Stunde. Doch im Kopf, im Herzen schlichen sie dahin. Vor dir ist keine Flucht schnell genug Am Ende des Nachmittags durchquerten die beiden Reisenden den Eisernen Vorhang. Meine Mutter, die ihr ganzes bisheriges Leben im Ostblock verbracht hatte, war überwältigt, mein Vater konzentrierte sich auf den Verkehr. Übrigens war er schon einige Jahre zuvor, zusammen mit Kollegen aus dem Institut für Kernphysik, in den Genuss eines Paris-Aufenthalts gekommen: Er hatte schon, wie er sagte, an der Freiheit 'geschnuppert'. () Mein Bruder und ich wurden in Lausanne erwartet. Als deine Schergen erfuhren, dass einer ihrer besten Nuklearforscher dem Land endgültig den Rücken gekehrt hatte, sahen sie rot. Sie befürchteten, dass er wichtige Geheiminformationen an den Westen verraten könnte. Also verweigerte deine Passbehörde meinem Bruder und mir kurzerhand die Ausreise. Mit einer kurzen Botschaft: 'Wenn Sie Ihre Kinder wiedersehen wollen, kehren Sie nach Bukarest zurück. Nach einem Jahr Gefängnis werden Sie sie wieder in Ihre Arme schliessen können.'

1969 reist der sechsjährige Eugène Meiltz seinen der rumänischen Diktatur Nicolae Ceaucescus entflohenen Eltern in die Schweiz nach. Eugène wächst in Lausanne auf, studiert Literatur und arbeitet als Journalist für das Westschweizer Radio und diverse Tageszeitungen. Verdutzt verfolgt er 1989 am Fernsehen den Volksaufstand in Bukarest, die Prozessfarce gegen den gefallenen Diktator und dessen brutale Hinrichtung. Eugène lebt er ist inzwischen Schweizer Staatsbürger am malerischen Genfersee. Doch lässt ihm Rumäniens Alleinherrscher, der das Land geknechtet und damit auch Eugènes eigene Geschicke geprägt hat, auch im Grab keine Ruhe. Eugène liest, reist und schreibt, um sich von der Umklammerung zu befreien; es entstehen Theaterstücke, Novellen, Kolumnen und ein erster Roman: Das Tal der Jugend. Mit fünfzig erfährt er von seiner Mutter, dass er sein Leben dem Diktator verdankt; denn ohne Ceaucescus striktes Abtreibungsverbot von 1969 hätte sie die Schwangerschaft nicht ausgetragen. Eugène findet, er sei Ceaucescu also etwas schuldig. Diese 'irritierende Schuld' will er mit einem offenen Brief abtragen. 'Brief an meinen Diktator' ist eine von Humor, Wut und Menschlichkeit geprägte Auseinandersetzung mit den Vernarbungen einer Diktatur.

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Autor o A, Eugène
Verlag verlag die brotsuppe
ISBN 9783038670988
ISBN/EAN 9783038670988
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Erscheinungsdatum 21.05.2024
Lieferbarkeitsdatum 25.11.2024
Einband Gebunden
Seitenzahl 224 S.

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ISBN 9783038670988
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Ich bin in dem Land geboren, das du zweiundzwanzig Jahre lang tyrannisiert hast. Meine Eltern sind vor deiner Sicherheits- und Schnüffelpolizei, der Securitate - geflüchtet. Als ich sechs Jahre alt war, bin ich ihnen in die Schweiz nachgereist, in ein Land, das Führern misstraut und den Präsidenten jährlich neu wählt. Ich war noch nicht zwanzig, als du erschossen wurdest. Heute bin ich zweiundfünfzig. Zweiunddreissig Jahre liegst du schon im Grab, Nicolae. () Meine Eltern fuhren durch Ungarn, als wäre der Teufel hinter ihnen her. Mit Vollgas aus dem Ostblock, ohne Zwischenhalt, nicht einmal in Budapest. Sie haben ihre Käsebrote verdrückt, die Kaffeekanne geleert, alles während der Fahrt. Sie flohen vor dir. Mit hundert Kilometern pro Stunde. Doch im Kopf, im Herzen schlichen sie dahin. Vor dir ist keine Flucht schnell genug Am Ende des Nachmittags durchquerten die beiden Reisenden den Eisernen Vorhang. Meine Mutter, die ihr ganzes bisheriges Leben im Ostblock verbracht hatte, war überwältigt, mein Vater konzentrierte sich auf den Verkehr. Übrigens war er schon einige Jahre zuvor, zusammen mit Kollegen aus dem Institut für Kernphysik, in den Genuss eines Paris-Aufenthalts gekommen: Er hatte schon, wie er sagte, an der Freiheit 'geschnuppert'. () Mein Bruder und ich wurden in Lausanne erwartet. Als deine Schergen erfuhren, dass einer ihrer besten Nuklearforscher dem Land endgültig den Rücken gekehrt hatte, sahen sie rot. Sie befürchteten, dass er wichtige Geheiminformationen an den Westen verraten könnte. Also verweigerte deine Passbehörde meinem Bruder und mir kurzerhand die Ausreise. Mit einer kurzen Botschaft: 'Wenn Sie Ihre Kinder wiedersehen wollen, kehren Sie nach Bukarest zurück. Nach einem Jahr Gefängnis werden Sie sie wieder in Ihre Arme schliessen können.'

1969 reist der sechsjährige Eugène Meiltz seinen der rumänischen Diktatur Nicolae Ceaucescus entflohenen Eltern in die Schweiz nach. Eugène wächst in Lausanne auf, studiert Literatur und arbeitet als Journalist für das Westschweizer Radio und diverse Tageszeitungen. Verdutzt verfolgt er 1989 am Fernsehen den Volksaufstand in Bukarest, die Prozessfarce gegen den gefallenen Diktator und dessen brutale Hinrichtung. Eugène lebt er ist inzwischen Schweizer Staatsbürger am malerischen Genfersee. Doch lässt ihm Rumäniens Alleinherrscher, der das Land geknechtet und damit auch Eugènes eigene Geschicke geprägt hat, auch im Grab keine Ruhe. Eugène liest, reist und schreibt, um sich von der Umklammerung zu befreien; es entstehen Theaterstücke, Novellen, Kolumnen und ein erster Roman: Das Tal der Jugend. Mit fünfzig erfährt er von seiner Mutter, dass er sein Leben dem Diktator verdankt; denn ohne Ceaucescus striktes Abtreibungsverbot von 1969 hätte sie die Schwangerschaft nicht ausgetragen. Eugène findet, er sei Ceaucescu also etwas schuldig. Diese 'irritierende Schuld' will er mit einem offenen Brief abtragen. 'Brief an meinen Diktator' ist eine von Humor, Wut und Menschlichkeit geprägte Auseinandersetzung mit den Vernarbungen einer Diktatur.

 

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